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Solingen: Warum Abschiebungen scheitern

Das POLITICO-Briefing zu den wichtigsten Ereignissen des Tages in Berlin.
von GORDON REPINSKI
mit PAULINE VON PEZOLD
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Guten Morgen Berlin! Wenige Tage vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen macht sich die Ampel für eine Mega-Klatsche bereit. Das Regierungsviertel steckt noch in der Sommerpause, aber der Blutdruck steigt. Hier ist Gordon Repinski, Ihr Playbook aus Berlin. Wir beginnen.
ERST KEIN GLÜCK: Dann kommt das Pech dazu. Olaf Scholz müsste eigentlich Stärke zeigen nach Solingen, aber wie? Keine Maßnahme würde bis zum Wahltag helfen, selbst danach wird es schwierig, das Land fordert aber genau das. Worst Case im Kanzleramt. 
Dann auch noch Merz: Am Vormittag trifft der Kanzler lange geplant den Oppositionsführer auf ein Stündchen im Kanzleramt. Zu bereden gibt es eigentlich kaum etwas, Merz macht maximalen Druck und fordert für Scholz nicht Umsetzbares, aber da muss der Kanzler jetzt durch.
Die Treffen sind meist vorher den Medien bekannt: Augenrollen im Kanzleramt.
Drei Tage nach dem Terror in Solingen besuchte Scholz am Montag den Ort des Geschehens: „Ich bin wütend und zornig“, sagte er. Deshalb fordert er die Änderung des Waffenrechts und mehr Abschiebungen.
Was steckt dahinter: Messer könnten ab einer bestimmten Länge (sechs bis zwölf Zentimeter) grundsätzlich in der Öffentlichkeit verboten werden. Bei den Abschiebungen schiebt Scholz indirekt die Verantwortung in Richtung der NRW-Behörden, die einige Fehler gemacht haben.
Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien „in Kürze“: Das kündigte Nancy Faeser bei einem Besuch des Terrorismusabwehrzentrums in Berlin an. Diese bereits im Juni angekündigten Abschiebungen seien bei Straftätern und Extremisten möglich, noch arbeite man aber an letzten Hürden. Auf Anfrage wollte sich das BMI nicht deutlicher äußern.
Der FDP ist das nicht genug: Christian Dürr fordert gegenüber BILD, dass Ausreisepflichtige keine Sozialleistungen mehr erhalten. 304.000 Personen wären davon betroffen. 
Und die Fachleute? „Wo die Ampel vollkommen scheitert in der großen Erzählung. Was ist das Konzept, an den Außengrenzen, über das Mittelmeer und auch an den Landgrenzen die irreguläre Migration drastisch zu reduzieren?“, sagt uns Migrationsforscher Gerald Knaus im Berlin Playbook Podcast.
Drittstaaten-Abkommen und Abschiebung von Gefährdern: Man müsse zeigen, „dass man in der Lage ist, mit Nachbarstaaten Abkommen zu schließen, wie das die Große Koalition unter Angela Merkel 2015 und 16 mit der Türkei gemacht hat“. Das ganze Interview gibt es hier.
OST-TAG: Von Berlin geht es nach Jena, von dort aus nach Delitzsch. Alle Programmpunkte haben eins gemeinsam: Fünf Tage vor den Landtagswahlen dreht sich alles um den Osten.
Alles klar Herr Merz, ich muss jetzt weiter: Um 11 Uhr nimmt Scholz an der Preisverleihung von „machen!2024“ teil. Ostbeauftragter Carsten Schneider und die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt zeichnen Projekte aus, die in Ostdeutschland das Gemeinwohl und Miteinander stärken.
Danach geht es zu einer Wahlkampfveranstaltung nach Jena, wo der Kanzler um 16:40 Uhr eine Rede hält, um 19 Uhr nimmt er in Delitzsch an „Sag mal, Sachsen…“ mit Sozialministerin Petra Köpping teil. Die Dialogveranstaltung kann man im Livestream verfolgen.
RÜSTUNGS-UPDATE: Die Bundesregierung arbeitet an einer neuen Strategie für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.
Ziel ist es, angesichts steigender Ausgaben durch den Ukraine-Krieg und die Bundeswehrumstrukturierung, die heimische Rüstungsindustrie zu organisieren.
Das Kabinett muss das Papier bald absegnen – wahrscheinlich in den nächsten sechs Wochen, so ein Beamter uns gegenüber. Doch zwischen den Koalitionsparteien herrscht Uneinigkeit.
Die Details lesen Sie in der aktuellen Ausgabe unseres Europa-Briefings Brussels Decoded, das Sie hier lesen und hier kostenlos abonnieren können.
ROTH WARNT VOR PERFIDER STRATEGIE: Nachdem Russland gestern mit einem besonders heftigen Drohnen- und Raketenangriff die ukrainische Zivilversorgung schwer getroffen hat, warnt SPDler Michael Roth vor dem „Beginn einer neuen Vernichtungskampagne gegen die ukrainische Energieinfrastruktur“.
Moskau verfolge zwei Ziele: „Zum einen soll die ukrainische Rüstungsproduktion lahmgelegt, zum anderen das Leben der Menschen in der Ukraine unerträglich gemacht werden, um neue Flüchtlingsbewegungen in die EU auszulösen“, so der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses gegenüber Hans von der Burchard.
Bereits über 50 % der Energieinfrastruktur sind zerstört: „Die Schäden sind so massiv, dass eine schnelle Reparatur kaum möglich ist.“ Roth fordert Unterstützung für den kommenden „harten Winter“ – etwa Notstromaggregate – sowie eine US-Erlaubnis zum Einsatz von Langstreckenwaffen gegen die Flugfelder, von denen die russischen Bomber aufsteigen.
Krywyj Rih angegriffen: In der ukrainischen Großstadt ist eine russische Rakete in einem Hotel eingeschlagen. Es gebe mindestens zwei Tote, berichten ukrainische Medien. Bis zu fünf Menschen könnten unter den Trümmern des Gebäudes verschüttet sein. Die Rettungsarbeiten dauern an. 
SABOTAGE DURCH RUSSLAND? Auf dem NATO-Luftwaffenstützpunkt in Geilenkirchen wurde vorübergehend die Sicherheitsstufe erhöht. Ein ausländischer Nachrichtendienst hatte Hinweise auf Vorbereitungen für einen russischen Drohnenangriff auf den Stützpunkt gegeben. 
Klappe die zweite: Vor eineinhalb Wochen war der Stützpunkt bereits wegen eines möglichen Sabotageakts abgeriegelt worden.
EU-ALLEINGANG: Die EU-Kommission will den Plan auch ohne die USA vorantreiben, Gewinne aus den Frozen Assets zur Unterstützung der Ukraine zu nutzen, sagte uns ein Kommissionsbeamter. Dies könnte die USA unter Druck setzen, innenpolitische Hürden zu umgehen und ihren Beitrag zu formalisieren.
Die G7-Staats- und Regierungschefs hatten im Juni vereinbart, der Ukraine bis Ende dieses Jahres einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden Dollar zu finanzieren. Washington zögert jedoch, einen Großteil davon zu bezahlen.
Warum die EU es so eilig hat, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe unseres Europa-Briefings Brussels Decoded, das Sie hier lesen und hier kostenlos zur Probe abonnieren können.
HILFE AUS BRÜSSEL GEFORDERT: Seit dem Krieg in der Ukraine müssen europäische Fluggesellschaften bei Flügen nach Asien Russland umfliegen, was Kosten und Flugzeiten erhöht. Chinesische Airlines hingegen nutzen weiterhin die kürzere Route über Russland.
Dies setzt europäische Anbieter wie Lufthansa unter Druck, die nun politische Unterstützung fordern, wie das Handelsblatt berichtet. Chinesische Airlines profitieren von staatlicher Unterstützung und planen weitere Expansionen, was den Wettbewerb weiter verschärft.
DIE LABOUR-PARTEI STEHT VOR EINEM SKANDAL, der ihre Chancen bei der nächsten Parlamentswahl gefährden könnte. Dabei geht es um Vorwürfe unangemessenen Verhaltens durch hochrangige Parteifunktionäre. Die ganze Geschichte hat mein Kollege Vincent Manancourt aufgeschrieben.
MACRON ÄUSSERT SICH NACH DER TELEGRAM-FESTNAHME: Nach (unter anderem) Elon Musks #FreePavel-Aufruf und Vorwürfen von Edward Snowden, sich „auf das Niveau einer Geiselnahme herabgelassen zu haben“, weist Präsident Emmanuel Macron die „Fake News“ zurück.
Die französische Regierung habe nichts mit der Festnahme des Telegram-Chefs Pavel Durov in Paris zu tun, betonte er auf X. Diese erfolgte „im Rahmen einer laufenden strafrechtlichen Untersuchung“ und sei „in keiner Weise eine politische Entscheidung“.
Was es über das Leben von Durov, den „russischen Elon Musk“ zu wissen gibt, hat unsere Kollegin Eva Hartog aufgeschrieben.
REFORM-ALLIANZ: Krankenhausträger und Krankenkassen haben vor einem zentralen Baustein der Krankenhausreform von Karl Lauterbach gewarnt, berichtet mein Kollege Jürgen Klöckner. 
Im Kern geht es um die Vorhaltepauschale, die sich nicht an den Fallzahlen aus dem Vorjahr orientieren dürfe, heißt es. Das Gesetz soll Ende des Jahres im Bundestag beschlossen werden. 
Gemeinsame Erklärung: Dass sich Kassen (zahlen Geld) und Kliniken (erhalten das Geld) beim Thema Krankenhäuser einig sind, kommt in der Gesundheitspolitik selten vor. 
Unterschrieben haben den Aufruf unter anderem die Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser, der AOK-Bundesverband, die DAK und der Deutsche Evangelische Krankenhausverband.
SACHSEN: Im Wahlkampf bekommt die AfD heute Unterstützung von den Parteichefs. Alice Weidel und Tino Chrupalla sind um 18 Uhr gemeinsam mit Spitzenkandidat Jörg Urban in Bautzen.
Forderungen nach Solingen: Die AfD will einen „Einwanderungs-, Aufnahme- und Einbürgerungsstop für mindestens 5 Jahre“, Grenzschließungen und Abschiebungen der „Personengruppen mit der höchsten Kriminalitätsbelastung“.
Urban zeigte sich gestern bereits siegessicher und präsentierte die Pläne der AfD für den Fall der Regierungsübernahme. Dabei konzentriere man sich auf Innere Sicherheit, Bildung und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Wie realistisch die Pläne sind, hat BILD analysiert. 
Spoiler: nicht realistisch.
NASE VORN: Laut aktuellen Zahlen liegt Kamala Harris aktuell 3,6 Prozentpunkte vor Donald Trump – Tendenz steigend.
MIC DROP? Eigentlich sollen sich Harris und Trump erstmals am 10. September bei einer Präsidentschaftsdebatte im direkten Vergleich gegenüberstehen. Weil es Streit um die Mikrofone gibt, gerät der Termin allerdings ins Wanken, wie unser US-Kollege Eugene Daniels berichtet.
Streitpunkt ist, ob die Mikrofone der Kandidaten stummgeschaltet werden, wenn sie nicht sprechen. Joe Bidens Team hatte dem ursprünglich zugestimmt. Harris möchte, dass die Mikrofone die ganze Zeit eingeschaltet bleiben, damit man mögliche impulsive Äußerungen von Trump hören kann. Dessen Team beharrt auf die ursprünglich vereinbarten Regeln.
Zum Anhören: Eine Einschätzung von Jonathan Martin gibt es ebenfalls in unserem aktuellen Berlin Playbook Podcast.
**Mit DC Decoded einen Schritt voraus: Erfahren Sie, wie die US-Wahl Deutschland beeinflusst. DC Decoded – Das US Briefing erscheint werktäglich auf Deutsch und richtet sich an alle, die früher verstehen wollen, was die politische Agenda der USA bestimmt. Melden Sie sich jetzt an und erhalten Sie ab dem 3. September für vier Wochen eine kostenlose Testversion.**
6 Uhr – China droht Kanada mit Gegenmaßnahmen: Der Zoll in Höhe von 100 Prozent auf Elektroautos aus China werde „den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Kanada schaden“, teilt die chinesische Botschaft in Ottawa mit.
1 Uhr –  Flugausfälle und Verspätungen: Bei der Lufthansa-Tochter Discover Airlines beginnen zum Ende der Ferienzeit Streiks von Piloten und Kabinenpersonal.  Betroffen sind alle Abflüge aus Deutschland.
BEKANNTES GESICHT FÜR WAGENKNECHT: Der Staatssekretär im Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern, Friedrich Straetmanns, wechselt zum BSW, wie t-online berichtet. Er ist der Erste auf dieser hohen politischen Ebene, der die Seiten wechselt.
Seinen Austritt aus der Linken begründet er schriftlich in neuen Punkten. Unter anderem damit, dass die Partei ihre Kernthemen, wie den Frieden, vernachlässigt habe. Auch „unrealistische Migrationsforderungen“ und „Unprofessionalität“ der Parteiführung, etwa bei der Nominierung von Carola Rackete zur EU-Spitzenkandidatin, seien der Grund. 
NEXT STOP: BERLIN? Die Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, will für Münster für den Bundestag kandidieren. Das verkündete sie auf Instagram.
„EIN DRAMA IN 29 ZITATEN“: Um zu zeigen, wie sich das Verhältnis der Ampelparteien seit der Koalitionsbildung verändert hat, hat der Spiegel Aussagen ihrer Vertreter von damals und heute gegenübergestellt.
— Ortszeit Deutschland: Heute reist Frank-Walter Steinmeier nach Stendal, Sachsen-Anhalt.
— Niedersachsen-Tour: Um 9 Uhr besucht Cem Özdemir in Bad Zwischenahn-Kayhauserfeld den Hauptproduktionsstandort von Rügenwalder Mühle, um 11:45 Uhr spricht er in Quakenbrück mit Landrätin Anna Kebschull zum Thema bioökonomische Transformation und um 12:15 Uhr besucht er das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik.
— Wasserstoffspeicher: Um 10 Uhr übergibt Robert Habeck in Teutschenthal, Sachsen-Anhalt, den IPCEI Bescheidübergabe an die VNG Gasspeicher GmbH.
— Bundesverband der Kleingartenvereine: Um 18 Uhr spricht Klara Geywitz bei der Eröffnung des Bundeszentrums und der Dauerausstellung StadtNaturMensch.
— In Brandenburg besucht Karl Lauterbach das Klinikum in Bad Belzig und den Biotechnologiepark Luckenwalde.
— Landtagswahlkampf in Sachsen: Die FDP ist mit Spitzenkandidat Robert Malorny und Christian Lindner ab 15 Uhr in Meißen und um 17:30 Uhr in Dresden. Die SPD ist mit Lars Klingbeil und dem Landesvorsitzenden Henning Homann in Mittweida. Die Grünen sind um 15 Uhr mit Omid Nouripour in Dresden und um 19 Uhr mit Annalena Baerbock und den sächsischen Spitzenkandidaten in Zwickau.
 — Landtagswahlkampf in Thüringen: Die CDU ist um 11 Uhr mit Carsten Linnemann und Spitzenkandidat Mario Voigt in Schkölen und um 18 Uhr zum Bürgergespräch in Weimar. Die SPD ist um 14:30 Uhr mit Hubertus Heil in Erfurt. 
— Baustellenbesichtigung: Um 13:30 Uhr ist Baustaatssekretär Rolf Bösinger beim UmweltHaus Nürnberg.
WETTER: Heute bleibt es den ganzen Tag sonnig, bei Temperaturen bis zu 26 °C.
GRUSS AUS DER KÜCHE:
— Mitarbeiterrestaurant JKH: Gnocchi-Gemüsepfanne mit Brokkoli, Blumenkohl, Karotten und Oliven, gequetschten Tomaten und veganem Hirte oder Schweineschnitzel „Wiener Art“ mit Rahmchampignons und Kartoffel-Wedges
— Lampenladen PLH: Gemüse- Kartoffelpfanne mit zwei Spiegeleiern und Blattpetersilie oder deftiger Schweinegulasch mit Apfelrotkohl, dazu Salzkartoffeln
— Kantine RTG: Putenschnitzel oder Mais-Lauch-Rösti, beides mit Pilzen, Wurzelgemüse und Drillingen
GEBURTSTAGE: Timo Schisanowski, SPD-MdB (43), Stefan Wollenberg, Landesgeschäftsführer der Linken in Brandenburg (47), Claus Ruhe Madsen, Verkehrsminister von Schleswig-Holstein (52), Renata Alt, FDP-MdB (59)
Hans von der Burchard, Rixa Fürsen, Jürgen Klöckner, Johanna Sahlberg und Peter Wilke. Produktion: Dean Southwell. 
Das war die 128. Ausgabe des Berlin Playbook! Schicken Sie mir Feedback hier. Wenn Sie es noch nicht abonniert haben, können Sie das hier kostenlos tun. 
Ich wünsche Ihnen einen sommerlichen Dienstag. Bis morgen!
Herzlich
Gordon Repinski
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